Immer häufiger liefert auch in Deutschland Google Antworten direkt über den Suchergebnissen – per AI Overview (AIO). Aber wie stark ist dieses Feature wirklich verbreitet? Und welche Themen, Intentionen und Domains sind am meisten betroffen?
Methodik: So wurde analysiert
Die Grundlage der Analyse bildeten 3.000 Keywords, bei denen laut Sistrix eine AI Overview (AIO)-Box ausgespielt wird – und bei denen wikipedia.org
oder amazon.de
unter den Top-100-Rankings erscheinen.
Ziel war es, sowohl informationsorientierte (Wikipedia) als auch produktbezogene (Amazon) Suchanfragen abzudecken. Spezielle Cluster wie „Reisen“ sind dadurch eventuell unterrepäsentiert.
AI Overviews werden in Deutschland aktuell (Stand: Mai 2025) nur eingeloggten Nutzern angezeigt. Am Wochenende um den 11. Mai 2025 wurden sie jedoch kurzfristig auch für nicht eingeloggte Nutzer ausgespielt. In diesem Zeitraum konnten SEO-Tools wie Sistrix die AIO-Boxen systematisch erfassen und auswerten. Die vorliegende Analyse basiert auf genau diesen öffentlich sichtbaren Einblendungen – und liefert damit eine belastbare Momentaufnahme des AIO-Einsatzes in der deutschen Google-Suche.
Die Auswahl erfolgte bewusst nach höchstem Suchvolumen: Es wurden gezielt die Keywords mit der größten Sichtbarkeit und Relevanz berücksichtigt, um die tatsächliche Marktwirkung von AIOs besser abzubilden.
Nach der Deduplizierung ergab sich eine Analysebasis von rund 2.800 einzigartigen Keywords. Diese wurden in sechs thematische Cluster eingeordnet und jeweils einer typischen Suchintention zugewiesen: Know
, Commercial Investigation
oder Do
.
Einige Keywords lassen sich jedoch nicht eindeutig einem Segment zuordnen – etwa wenn sie gleichzeitig gesundheitliche und lebensmittelbezogene Aspekte betreffen. Die prozentualen Anteile pro Cluster sind daher geschätzte Werte von Gemini und können sich überschneiden, d.h. die Summe ergibt mehr als 100 %.
Ergebnisse: Themen-Cluster im Überblick
Cluster | Anteil | Beispiel-Keywords |
---|---|---|
Gesundheit & Medizin | 30–35 % | blutdruck normalwerte, schilddrüse unterfunktion, ibuprofen |
Wissen & Definitionen | 20–25 % | generation z, 7 weltwunder, bedeutung npc |
Technik & IT | 15–20 % | wlan funktioniert nicht, citrix workspace, dns server |
Produkte & E-Commerce | 10–15 % | ford raptor, apple music kosten, kleinwagen vergleich |
Lebensmittel & Kochen | 5–8 % | nüsse sorten, unterschied stracciatella vanille, tandoori |
Sonstige (Recht, Orte, Lifestyle) | 5–10 % | glacier express route, testament erstellen, was bedeutet manifestieren |
Suchintention: Zwischen Wissen und Kaufentscheidung
Besonders auffällig ist die starke Präsenz medizinischer Begriffe. Viele Nutzer suchen nach Symptomen, Medikamenten oder Laborwerten – und Google beantwortet diese Anfragen zunehmend direkt im AIO-Block.
Die Verteilung der Suchintentionen zeigt, wie unterschiedlich die AIO-Bedrohung je nach Seitentyp ausfällt:
- Informational (Know Simple/Complex): dominiert klar – vor allem bei Gesundheit, Technik und Begriffserklärungen.
- Commercial Investigation: betrifft v. a. Produktanfragen, aber auch medizinische Präparate und technische Lösungen.
- Do-/Transactional-Intentionen: wie Rezepte oder Bestellungen sind aktuell noch weniger betroffen – aber nicht ausgeschlossen.
Betroffene Domain-Typen: Wer verliert potenzielle Klicks?
Auf Basis der Cluster lassen sich konkrete Seitentypen identifizieren, die durch AI Overviews besonders unter Druck geraten:
- Gesundheitsportale: netdoktor.de, apotheken-umschau.de
Gefahr: Wenn AIOs Symptome, Medikamente und Werte erklären, entfällt oft der Klick zum Portal. - Online-Lexika & Bildungsplattformen: wikipedia.org, duden.de, studyflix.de
Gefahr: Definitionen und Basiswissen werden direkt ausgespielt – ohne Klickbedarf. - Tech-Erklärseiten & Supportbereiche: chip.de, heise.de, computerbild.de
Gefahr: AIOs beantworten technische „Was ist…“-Fragen, Funktionen und Fehlermeldungen direkt in der Suche. - Produktvergleich & E-Commerce-Infos: amazon.de, idealo.de, test.de
Gefahr: Produktspezifikationen und einfache Vergleiche werden übernommen – der Klick zur Shopseite entfällt. - Lebensmittel-Lexika & Warenkunde: lebensmittellexikon.de, naehrwertrechner.de
Gefahr: AIOs fassen Nährwerte, Herkunft und Eigenschaften vieler Lebensmittel direkt zusammen. Rezeptportale sind davon weitgehend unberührt.
Vertiefende Analyse: Was die AIO-Keywords noch verraten
Aus den vorliegenden Daten und der Struktur der AIO-Keywords lassen sich noch einige weitere interessante Erkenntnisse ableiten:
- Dominanz von „Was ist…“-Fragen und Definitionen:
Ein großer Teil der Keywords zielt explizit oder implizit auf die Erklärung eines Begriffs ab. AIOs liefern hier präzise, zusammengefasste Antworten – nicht nur bei Lexikoneinträgen, sondern auch bei Produktfunktionen, medizinischen Zuständen oder technischen Konzepten.
Implikation: Websites mit Glossaren, „Was ist X?“-Artikeln oder einfachen Erklärtexten könnten überproportional betroffen sein. - Hoher Anteil an Gesundheits- und medizinischen Fachbegriffen:
Nutzer scheinen Google häufig als erste Anlaufstelle für Gesundheitsfragen zu nutzen – AIOs wollen hier komplexe Informationen möglichst verständlich präsentieren.
Implikation: Große Nachfrage trifft auf potenzielle Fehlinterpretation. Qualität und Neutralität der AIOs sind besonders kritisch. - Spezifität der Produkt-Keywords:
Viele produktbezogene Suchanfragen enthalten konkrete Modelle, Markennamen oder Funktionsanfragen (z. B. motorkontrollleuchte, apple music kosten).
Implikation: AIOs liefern schnelle Fakten – klassische Produktseiten stehen in direkter Konkurrenz zur AI-Antwort. - Vorkommen von Abkürzungen und technischen Kürzeln:
Keywords wiesdg
,bic
,dns server
odersmtp
zeigen den Bedarf an Begriffserklärungen im Technik- und Gesellschaftsbereich.
Implikation: Seiten, die ausschließlich die Bedeutung von Abkürzungen liefern, werden durch AIOs schnell ersetzt. - Geografische und lokale Komponenten:
Begriffe wiebundesländer deutschland
,glacier express
odertempel bar
deuten darauf hin, dass AIOs auch ortsbezogene Informationen zusammenfassen.
Implikation: Reise- und Regionalseiten mit Fakteninhalten (z. B. Öffnungszeiten, Geschichte) könnten betroffen sein. - „Long-Tail“ vs. „Short-Head“-Balance:
Die analysierten Keywords reichen von generischen Begriffen wiebedeutung
bis hin zu Nischenanfragen wiemercedes w204
oderamlodipin
.
Implikation: AIOs erscheinen sowohl bei breiten Themen als auch im Long-Tail – auch spezialisierte Seiten sind potenziell betroffen. - Vergleichs-Intention häufig implizit vorhanden:
Viele Keywords zielen auf einen indirekten Vergleich ab (z. B. alternative Medikamente oder Produktfeatures), auch wenn nicht „vs.“ im Begriff steht.
Implikation: Vergleichsportale müssen klaren Mehrwert über die AIO-Antwort hinaus bieten. - Sprachliche Muster: Nominalstil statt Fragen:
Die meisten Keywords bestehen aus Substantiven oder Komposita, selten aus vollständigen Fragen – die Intention bleibt dennoch deutlich.
Implikation: Google erkennt Informationsbedürfnisse auch ohne Frageformulierung – AIOs werden entsprechend ausgelöst. - Potenzial für Folgefragen in AIOs:
Viele Keywords (z. B.ozempic
) laden zu weiteren Fragen ein (z. B. Wirkung, Nebenwirkung, Kosten). AIOs greifen das oft direkt auf.
Implikation: Wer Leser behalten will, muss ganze Themenfelder abdecken – nicht nur Einzelantworten. - Zeitlich relevante Begriffe:
Begriffe wieInflation Deutschland 2024
odermichael schumacher heute
zeigen, dass AIOs auch bei zeitgeschichtlichen oder tagesaktuellen Themen greifen.
Implikation: Auch News-, Archiv- und Hintergrundseiten können in ihrer Sichtbarkeit betroffen sein. - Implizite „How-to“- / Anleitungsintention:
Begriffe wielöten
,schweißen
,rückwärts einparken
oderfimo backen
enthalten eine klare Erwartung an Schritt-für-Schritt-Anleitungen – auch ohne Frageformulierung.
Implikation: AIOs könnten Kernschritte abdecken. Webseiten müssen Tiefe, Visualisierung oder Community bieten, um Klicks zu rechtfertigen. - Keywords mit Listen- oder Aufzählungsintention:
Beispiele wie7 weltwunder
,bundesländer deutschland
oderantidepressiva liste
zeigen, dass Nutzer kompakte Übersichten erwarten.
Implikation: Content, der rein aus Listen besteht, braucht Kontext, Analyse oder klare Auswahlkriterien, um nicht durch AIOs ersetzt zu werden. - Marken als AIO-Trigger:
Markenbegriffe wiehewlett packard
,deutsche telekom
odermercedes w204
lösen ebenfalls AI Overviews aus – meist mit offiziellen oder häufigen Infos.
Implikation: Auch bei Brand-Keywords können AIOs vorgeschaltet sein – das reduziert potenziell die Klickrate auf Herstellerseiten. - Bildungs- und Lernkontexte:
Begriffe wieklassische konditionierung
,relative häufigkeit
oderindirekte rede
stammen oft aus schulischem oder akademischem Kontext.
Implikation: AIOs bedienen den Wunsch nach kompakten Erklärungen – Lernplattformen müssen mehr bieten als „nur“ Definitionen. - Sensible oder persönliche Themen:
Begriffe wienarzisstische mutter
,trauerphasen
odersinn des lebens
sprechen emotionale Lebenslagen an.
Implikation: AIOs können oberflächlich informieren – Empathie, Tiefe oder persönliche Erfahrung bleiben Stärken spezialisierter Seiten. - Fehlersuche & Problemlösungen:
Begriffe wiemotorkontrollleuchte
,403 forbidden
oderhaarausfall
zeigen, dass viele Nutzer konkrete Probleme lösen wollen.
Implikation: AIOs bieten erste Hinweise – aber detaillierte Hilfe, Tools oder Foren bleiben gefragt. - Steigendes Potenzial für „Zero-Click“-Suchen:
Viele Keywords zielen auf schnelle Fakten, Definitionen oder Preisspannen – was AIOs direkt liefern.
Implikation: Der Klick erfolgt nur, wenn der Content echten Mehrwert über die AI-Antwort hinaus liefert. - Abhängig von der Qualität der AIO:
Der Klickverlust ist nicht garantiert – er hängt davon ab, wie gut die AIO die Nutzerfrage abdeckt.
Implikation: Wer tiefer, besser oder visueller antwortet, kann AIOs „überholen“. - „Was kostet…“ als typischer AIO-Kandidat:
Preisbezogene Suchanfragen wieapple music kosten
lassen sich gut zusammenfassen.
Implikation: Seiten ohne Mehrwert jenseits des Preises (z. B. Vergleich, Modellvarianten) werden leicht ersetzt. - Teilweise navigationale Intentionen:
Begriffe wiegoogle play
oderamazon aws
könnten auch zur direkten Navigation dienen – AIOs beantworten jedoch oft eine begleitende Infofrage.
Implikation: Auch bei vermeintlich navigationalen Suchanfragen können AI Overviews Klicks abfangen.
Diese zusätzlichen Erkenntnisse helfen dabei, das Verhalten von AI Overviews und die Auswirkungen auf verschiedene Website-Typen und Content-Formate besser zu verstehen – sowohl strategisch als auch operativ.
Fazit: AIOs greifen gezielt auf die oberste Informationsebene zu – dort, wo Nutzer nach schnellen, faktenbasierten Antworten suchen. Websites, deren Hauptzweck genau diese Ebene ist, müssen sich neu aufstellen.
Wer hingegen tiefergehende Inhalte, Interaktivität oder einzigartige Perspektiven bietet, bleibt (vorerst) im Spiel. Die nächsten Monate werden zeigen, wie sich Googles AIO-System weiterentwickelt – klar ist: Content muss intelligenter, nützlicher und schwerer ersetzbar werden.